MATHEMATIK IN DER TENNISHALLE? SCHULPSYCHOLOGIE IN DER KLOSTERSCHEUNE? UMWELTWISSENSCHAFTEN BEI DER FREIWILLIGEN FEUERWEHR? „HEIMSPIEL WISSENSCHAFT“ BRINGT FORSCHENDE NICHT NUR ZURÜCK IN IHRE HEIMAT, SONDERN AUCH AN BESONDERE VERANSTALTUNGSORTE. WARUM ENGAGIEREN SICH GASTGEBER UND WIE KOMMEN DIE HEIMSPIELE BEIM PUBLIKUM AN? | Von Lea Brandes
Meist besteht ein enger Kontakt zwischen Wissenschaftler:in und Austragungsort. Wie bei Gerrit Philipps. Der Freizeitfußballer und Kommunikationswissenschaftler von der Universität Düsseldorf konnte sein Heimspiel im Vereinsheim des ostfriesischen TuS Weene e. V. austragen. Unterstützung kam von seinem ehemaliger Trainer Tamme Bölts: „Als die Idee aufkam, bei uns einen wissenschaftlichen Vortrag zu veranstalten, habe ich sofort an Gerrit gedacht, der gerade seinen Doktor an der Uni Düsseldorf macht.“
Die besondere Kooperation zwischen dem Projekt „treffpunkt fußball“ der Philipp Lahm Stiftung, dem Fußballverein und Heimspiel Wissenschaft lockte über 50 Gäste an. Diskutiert wurde die Rolle der Medien in politischen Entscheidungsprozessen. Bürgermeister Arno Ulrichs äußert sich begeistert: „Mir ist bei dem Vortrag noch klarer geworden, dass ich als Person des öffentlichen Lebens selbst für mediale Präsenz sorgen muss, mit allen Risiken und Chancen – von Shitstorm bis treuen Followern.“ Trainer Tamme Bölts fügt hinzu: „Gerrit hat genau die richtige Balance zwischen wissenschaftlichem Input und praktischen Beispielen gefunden, deswegen haben wir im Anschluss viel länger diskutiert als erwartet.“
Länger und voller als erwartet war auch das Heimspiel von Dr. Lena Greinke, Umweltwissenschaftlerin an der Universität Hannover, im 250 Seelen Dorf Latferde. „Als Lena mir von dem Projekt erzählt hat, habe ich sofort meine Hilfe angeboten. Ich kenne sie ja von klein auf und ihr Thema ist sehr spannend für uns. Denn, dass es sich auf das ehrenamtliche Engagement im Dorf auswirkt, wenn man an mehreren Orten lebt, merken wir hier als Freiwillige Feuerwehr“, erzählt Ortsbrandmeister Stefan Zinnecker. Er organsierte den Veranstaltungsraum bei der Freiwilligen Feuerwehr. Dank Mundpropaganda, Social Media, Zeitungsbeiträgen und von der Wissenschaftlerin eigens aufgehängten Plakaten kamen über 70 Personen im Alter von 20 bis 80 Jahren zusammen. „Am Ende war kein Stuhl mehr frei. Lena hat sehr anschaulich vorgetragen, es war ein spannender Abend“, berichtet Zinnecker begeistert.
FORSCHUNGSTHEMA BESSER VERSTANDEN
Großes Interesse auch im brandenburgischen Zehdenick: In der Klosterscheune sprach die an der Universität Tübingen forschende Schulpsychologin Dr. Ulrike Schwarz darüber, wie Menschen Schwankungen in ihrer Selbstregulation, also der Steuerung von Gedanken, Gefühlen und Verhalten, überbrücken können. Sehr zur Freude ihrer alten Schulfreundin Diana Dänzer: „Wir haben öfter privat über ihre wissenschaftliche Arbeit gesprochen. Durch ihren Vortrag habe ich ihre Forschungsthemen besser verstanden und einiges dazugelernt. Die ein oder andere Erkenntnis zum Thema Selbstregulation habe ich für meinen Alltag mitgenommen.“
In der Tennishalle des TC Bad Essen empfand Alexandra Drösemeyer den Vortrag ihres Bekannten Torben Kuhlenkaspar, Professor für Mathematik, Statistik und Ökonometrie an der Hochschule Pforzheim, als bereichernd: „Torbens Vortrag war smart, interessant und gut verständlich“, erzählt die Grundschulleiterin. „Man hat gemerkt, dass er sich zu Hause fühlt. Sowohl thematisch – es ging darum, wie sich mit Mathematik das menschliche Verhalten in Extremsituationen analysieren lässt – als auch in der Tennishalle.“